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Guillermo Venegas Lloveras, 1 to 77 years old.
Biographie von Guillermo Venegas Lloveras
Photo-Dokumente
Zeittafel

GVL Geburtsort
Geburt
Guillermo Venegas Lloveras, von vielen William genannt, wurde am 12. Oktober 1915 in Quebradillas, einem kleinen Dorf an der Nordküste von Puerto Rico, geboren. In der Nähe von Quebradillas liegt der schöne Guajacata-Strand, eine Inspiration, der wir in vielen Liedern und Gedichten von Guillermo begegnen.
Guillermo war der zweite Sohn (von fünf Kindern) von Rafael Venegas Oliviera und Maria Lloveras Soler. Die Venegas Lloveras waren eine typische Mittelschichts-Familie. Beide Eltern waren sehr fleißig und liebten ihre Kinder sehr.

Eltern und Verwandte
Rafael, Guillermos Vater, wurde Vollwaise als beide seine Eltern am gleichen Tag aus natürlichen Gründen starben. Rafael hörte gerne klassische Musik und war ein eifriger Leser von Geschichte und Philosophie. Er hat auch Gedicht geschrieben. Das erklärt vielleicht Guillermos Liebe zu den gleichen Dingen.

Maria, die Mutter, war die Tochter von Ernesto Lloveras, dem Dorfapotheker. Maria war oft krank, deswegen wurden Guillermo und seine Geschwister von seiner ledigen Tante Ana Elisa Lloveras (Lela genannt) aufgezogen. Ein Onkel, Ernesto Lloveras war Händler; er besaß zunächst ein Café und später einen Gemischtwarenladen. Ernesto lebte im Haushalt der Lloveras. In Guillermos Familienstammbaum gab es keine Musiker. Nur Herminia, seine Tante, war Klavierlehrerin – es ist aber unbekannt, ob Guillermo bei ihr Unterricht hatte

GVL 20 jährigSchule
Guillermo ging nur bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr zur Schule, danach wurde er von der Schule verwiesen. Er war nie ein guter Schüler und hatte immer Probleme mit seinen Lehrer, vielleicht weil er alles stark hinterfragte. Er lernte autodidaktisch Geschichte, Philosophie, Poesie und Musik, deshalb wusste er wahrscheinlich zu viel für seine Jahrgangsstufe und langweilte sich in der Schule. Nachdem er von der Schule verwiesen worden war, kehrte er niemals wieder in die Schule zurück.

Juan Heyliger (Juan Géliga)
Guillermo hat bei Juan Geyliger Gitarre gelernt. Geyliger, der Schmied und Tischler war, spielte auch Gitarre in Quebradillas und hat Guillermo Unterricht in seiner Schmiede gegeben. Geyliger war sein Inspirator und lebenslanger Freund. Deshalb sagte man über Guillermo Venegas, dass eine Schmiede seine Musikhochschule war.

Musikstudium - Intuition
Guillermo hat seine musikalischen Studien mit zehn Jahren angefangen und er hat nie damit aufgehört. Guillermo studierte autodidaktisch Musik und er erlangte ein gründliches Wissen über die Werke vieler klassischer Komponisten und der populären Musik; es scheint er hatte ein fotografisches Gedächtnis für Musik. Vielleicht hat der berühmte spanische Cellist Pablo Casals als er davon sprach, dass Guillermo ein Musiker “ohne Studium” sei, gemeint: “ohne ein Studium an einer Musikhochschule”. Guillermo sagte immer, dass er die Musik intuitiv erschaffe, dass die Melodien einfach so kamen, ohne viel darüber nachzudenken oder gezielt zu versuchen, sie zu kreieren.
GVL's home 1940.
Mexico
1946, als er begann ein erfolgreicher Komponist zu sein – wenn auch nicht im wirtschaftlichen Sinne - bekam er ein spezielles Stipendium, um an der Musikhochschule von Mexico (dem Conservatorio Nacional de Mexico) zu studieren. Sein Aufenthalt in Mexico war kurz, wohl weil er den Eindruck hatte, mehr über Musik zu wissen als seine Professoren. Er sagte, dass die Lehrer seinen Kompositionsstil verändern wollten – und das gefiel ihm gar nicht.

Zeit der Kompositionen
Guillermo hat über einen langen Zeitraum Musik komponiert, seit ungefähr 1925 bis 1993, 68 Jahre in den acht Jahrzehnten seiner Lebenszeit. Sicherlich haben nur wenige Komponisten so viel geschrieben. Sein letztes Werk, eine Hommage an Spanien, schrieb er im Krankenhaus kurz bevor er starb. Diese Komposition gab er seinem Freund, dem Dirigenten Mandy Vizozo.

Die Musik
Guillermo hat genauso Boleros, Walzer, Tangos, Märsche und Tänze wie klassische Musik komponiert. Während seiner Jugend widmete er sich vor allem der populären Musik und dem Kunstlied, sei es als Komponist oder auch als Gitarrist und Sänger. Als Guillermo 22 war sagte die Klavierlehrerin Margarita Van Rhyn, dass seine Kompositionen das Niveau von Schumann oder Schubert hätten.

In seinen späteren Jahren war seine Musik überwiegend klassischer Art. Die Höhepunkte in seinen späteren Jahren waren die Aufnahmen seiner Musik, die Aufführungen seiner Musik in den ausverkauften Konzertsälen im Centro de Bellas Artes, dem Universitätstheater von Puerto Rico und eine zweistündige Fernsehsendung über seine Musik, die von dem bekannten Operntenor Ricardo Ledesma produziert wurde.
Guajataca Strand - Quebradillas, Puerto Rico
“Mi cabaña” (Meine Hütte)  (MP3)
Dieses Stück war eines seiner ersten Lieder (das erste war ”Ausencia” ). Hier wird ”Mi cabaña”.

Guillermo hat dieses Stück geschrieben als er erst 12 Jahre alt war. Sein Cousin William Venegas hat es 1930 erstmals aufgenommen. Es war ein unmittelbarer Erfolg und ist zu einem der beliebtsten Lieder in der Geschichte der populären Musik Puerto Ricos geworden. Es ist wahrscheinlich über 100 mal aufgenommen worden. Bis heute gibt es Leute, die glauben, dass dieses Lied von William Venegas (dem Cousin und Sänger) geschrieben wurde – und nicht von William Venegas (wie Guillermo ja auch von vielen genannt wurde).

”Desde que te marchaste” -  MP3 - (Seit du weg bist) und ”No me digan cobarde” - MP3 -  (Nennt mich nicht Feigling)
1937 nahm Guillermo als Sänger für RCA Victor eine Platte auf, die diese beiden Lieder enthielt. Er hatte sie komponiert als er 15 war und seine Freundin Dalila Palmer aus Quebradillas wegzog. Diese Aufnahmen werden immer noch verkauft und viel gehört, besonders in Kolumbien, wo sie Klassiker der populären Musik geworden sind und unzählige Male neu aufgenommen wurden. Von diesen Aufnahmen wurden Millionen verkauft.

Unglücklicherweise hat niemand den Komponisten jemals um die Lizenzen dafür gebeten – dementsprechend wurden auch niemals irgendwelche Lizenzgebühren dafür bezahlt. Hier kann man die Originalaufnahmen der beiden Stücken hören, gesungen von Guillermo Venegas.

Los Panchos und ”Tu lo sabes bien” (Du weisst es genau)  MP3
1946 hat das legendäre Trio Panchos dieses von Guillermo Venegas komponierte Lied aufgenommen. Es war eine ihrer ersten Aufnahmen und ihr erster grosser Hit. In den fünfziger Jahren haben sie das Lied neu aufgenommen.

Rückkehr nach Mexicco mit   Video: Génesis-Lucecita    Génesis-Lucecita (mp3)
1969 gewann Guillermos Lied ”Génesis” das erste weltweite Festival des Ibero-Amerikanischen Liedes (Festival de la Cancion Latina) in Mexico; das Lied wurde gesungen von Lucecita Benitez, der ”Stimme Puerto Ricos”. Durch diesen Preis hat Venegas – wenn auch nur für kurze Zeit – internationale Anerkennung gefunden. Bis heute wird dieses Ereignis als eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse in der Geschichte Puerto Ricos angesehen. Das Festival wurde im Fernsehen per Satellit (damals eine Innovation) nach Süd- und Nordamerika und Europa übertragen und von über 100 Millionen Menschen verfolgt.

Guillermo Venegas hat auch am ersten Festival der Organisation des Ibero-amerikanischen Fernsehens, OTI (Festival de la Organización de Televisión Iberoamericana) 1972 in Madrid teilgenommen. Hier belegte er mit seinem Lied ”Por Ti” (Für dich), gesungen von Chucho Avellanet den vierten Platz. Dieses Festival hatte weltweit auch über 100 Millionen Zuschauer. Nach 1972 hat er an keinem weiteren Wettbewerb teilgenommen.

Eine interessante Anekdote: Nach seinem Erfolg in Mexiko wurde Guillermo Venegas nach Mexiko eingeladen. Der mexikanische Präsident bat ihn um einen Besuch. Er fragte ihn, was er für ihn tun könne. Guillermo Venegas antwortete dem Präsidenten, dass er Agustin Lara kennenlernen wolle, den grossen Komponisten von Stücken wie ”Granada”, ”Maria Bonita”, ”Noche de ronda” und vielen anderen sehr bekannten Klassikern. Ein Besuch wurde arrangiert – Guillermo wurde zu Laras Haus gebracht, wo er von dem Sänger Pedro Vargas, einem alten Freund, empfangen und in ein Wartezimmer neben Laras Schlafzimmer geleitet wurde. Leider war Lara an diesem Tag sehr krank, so dass er keinen Besuch empfangen konnte und Guillermo Vargas musste nach Puerto Rico zurückkehren. Kurz danach starb Agustin Lara, der Komponist mit einem sehr grossen Einfluss auf Guillermo Venegas. Also war Guillermo Venegas nur durch eine Tür davon getrennt, Agustin Lara kennenzulernen, aber das Schicksal erlaubte das nicht.

Aufnahmen
Alle Aufnahmen die ausschliesslich der Musik von Venegas gewidmet waren, wurden gemacht als Guillermo schon über 50 war. Sie wurden in Puerto Rico durch Künstler wie Pablo Elvira (Bariton), Alba Rosa Castro (Piano) und Ludvik Stonawski (Piano) und anderen gemacht.

Der Dichter- der Schriftsteller - der Philosoph - der Maler
Guillermo war Dichter, Autor von literarischen Werken und Essays. Für lange Jahre war er auch Kolumnist. Sein literarisches Werk umfasst u.a. Flor de Intermezzo (Blumen des intermezzos)(Gedichte), Las Mil Caras del Amor (Die tausend Gesichte der Liebe)(Gedichte), La Luna de Puerto Rico (Der Mond von Puerto Rico), Ella y yo (Sie und ich)(Gedichte), Asi hablara Jesus (So hätte Jesus gesprochen) (philosophischer Aufsatz), und Marzo (März)(philosophischer Roman). Guillermo war auch Maler. Das Gemälde unten (El Mar – Das Meer) war eines seiner ersten. Er hat es wahrscheinlich 1955 gemalt. Es war ein Geschenk für seine Tante Lela (Ana Elisa Lloveras). Es war bis 1999 in ihrem Haus.

Guillermo Venegas Lloveras: El Mar
Tod
Guillermo Venegas Lloveras ist 77-jährig am 23. Juli 1993 an Krebs in San Juan, Puerto Rico gestorben. Er wurde in Quebradillas beerdigt. Zu seiner Beerdigung sind nur einige Freunde gekommen. Scheinbar gab es wenig Interesse an Guillermo. Als Abschiedslied wurde sein Lied ”Adios Amigo del Alma” (Auf Wiedersehen, Seelenfreund), das er für die Beerdigung seines Freundes Ramon Chavez (links auf dem Foto von Conjunto Aurea, weiter unten) komponiert hatte. Das Lied wurde von Los Kintos gesungen.

Der unbekannte und umstritten Komponist
Als Guillermo starb war er in seinem eigenen Land und in seinem geliebten Heimatdorf Quebradillas fast ein Unbekannter. Dafür gibt es viele, zusammenhängende und komplexe Gründe. Einige davon sind meiner Meinung nach:

Er suchte keine öffentliche Anerkennung, Orden oder Aufführungen.
Er veröffentlichte seine Musik nicht. Er wusste nichts über das Urheberrechtsgesetz (das auf Englisch geschrieben war, einer Sprache, die er nicht kannte), über Verträge oder das Musik-Bussiness. Er reiste fast nie. Es gab viele Gelegenheiten zu reisen, aber er lehnte sie fast immer ab. Er war anspruchsvoll und sehr kritisch mit den Leute, die seine Musik spielten Seine intuitive Fähigkeit zu komponieren ohne vorher (formal) studiert zu haben, macht ihn für die ”Intellektuellen”, die meistens die Entscheidungsmacht haben, inakzeptabel. Bis heute wurde seine Musik auf noch keinem Konzert mit klassischer Musik in Puerto Rico gespielt. Er hat immer gesagt, was er dachte, ohne Rücksicht auf die Hörer. Als er z.B. beim OTI-Festival mit dem Lied ”Ese” (Dieses) den zweiten Platz gewonnen hatte und Marco Antonio Muñiz ihm den Preis verleihen wollte, lehnte er ab und sagte: “Ich gratuliere dem Gewinner nicht für seine Fähigkeit aber für seine Glück.

Kurz gesagt: er war umstritten und ein Rebell – das verschliesst viele Türen.

Größe
Die Welt hat viele große Komponisten hervorgebracht. Fast immer haben diese Komponisten in großen Städten oder in Ländern mit einer großen Tradition in Komposition und Interpretation von klassischer Musik gelebt. Diese Komponisten wurden fast immer an Musikhochschulen oder von hoch angesehen Professoren ausgebildet. Guillermo ist nicht in einer große Stadt geboren. Er hat keinen Unterricht an Musikhochschulen oder von angesehenen Professoren bekommen. GVL war ein Autodidakt, der die Fähigkeit hatte, Melodien zu erschaffen, wie niemand vor ihm. Sein autodidaktisches Studium der musikalischen Struktur (Harmonie) hat er oft auf innovative Art benutzt. Die Geschichte wird der Richter sein.

Er hat mir einmal gesagt: “Ich bin der einzige Komponist in der Geschichte über den man sagen kann, dass fast alle seine Melodien gut sind.” Er hat auch gesagt: “Kein anderer Komponist hat den Gipfel der Melodien, den nur die ganz grossen Komponisten erreichen, so oft erreicht wie ich.” Die Geschichte wird darüber urteilen.
Conjunto Aurea, annähernd 1935.